Architekturgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Ferdinand Keilmann Der Architekt Ferdinand Keilmann im Systemwandel des 20. Jahrhunderts
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Eine typische Karriere?

Ferdinand Keilmann gehörte zu der Generation, die im Bewußtsein aufwuchs, daß Deutschland den ersten Weltkrieg nie würde verlieren können. Diese Haltung wurde ihm bereits in den ersten Schuljahren immer wieder vorgelebt und der Patriotismus seines Vaters spielte in diesem Zusammenhang sicherlich eine bedeutende Rolle. Von dieser Sichtweise über Jahre massiv beeinflußt, mußte die Kapitulation und die für Deutschland niederschmetternden Bedingungen des Versailler Vertrages zwangsläufig einen tiefen Einschnitt in die Entwicklung des eigenen Selbstbewußtseins bedeuten. Keilmann erlebte die Niederlage des Ersten Weltkriegs vielleicht weniger als politischer denn als persönliche Krise - als sein Vater aus dem Krieg zurück kam, war die Ehe der Eltern in einer äußerst kritischen Phase, die Familie lebte in sehr bedrückenden Verhältnissen und er selbst litt stark an seiner Rachitis-Erkrankung. Ob Keilmann auch diese familiäre Krise mit der Zeit der Gründung der Weimarer Republik in Verbindung gebracht hat, ist heute zwar nicht genau nachprüfbar, allerdings hat er später, als diese Republik wankte, die Gelegenheit genutzt, in diesem Kampf auf Seiten der Republikgegner zu kämpfen.

Die Gründungsphase der Weimarer Republik war also vermutlich für ihn negativ besetzt, hinzu kam immer wieder die fehlende Unterstützung durch seinen Vater. Trotz aller Ablehnung, die er aufgrund seiner körperlichen Verfassung erfahren mußte, fragte Keilmann seinen Vater bei schwierigen Entscheidungen bis in die Mitte der 30er Jahre immer wieder um Rat; der Ton der Fragen kann als beinahe unterwürfig bezeichnet werden. Der Vater, der für ihn zum Teil die beruflichen Entscheidungen traf, war Lehrer in vierter Generation. Es ist anzunehmen, daß aus dieser familiären Prägung die Orientierung auf Beschäftigungsverhältnisse in der öffentlichen Verwaltung entstand. So ging der Antrag bei der Stadt Aschaffenburg auf die Initiative von Ferdinand Keilmann sen. zurück. In einem festgefügten System spielte der fehlende Geschäftssinn keine Rolle. Die folgenden fünf Jahre des wirtschaftlichen Fortschritts in Deutschland liefen an Keilmann weitestgehend vorbei, da er sich bis 1927 noch in der Berufsausbildung befand; die anschließende Beschäftigung bei regional bekannten Architekten mußte er aufgeben, als die Weltwirtschaftskrise einsetzte. Um nicht in die direkte Arbeitslosigkeit zu geraten, ging Keilmann an die Staatliche Hochschule für Handwerk und Baukunst in Weimar, wo er vermutlich erstmals direkt mit den politischen Ideen der Nationalsozialisten konfrontiert wurde, die eine zukünftige Besserstellung des eigenen (zukünftigen) Berufsstandes sowie der gesamten deutschen Wirtschaft versprachen. In seinem Elternhaus fanden zwar auch Gespräche über politische Themen statt, jedoch konnte sich Keilmann gegenüber seinem Vater mit seinen Überzeugungen nicht durchsetzen oder traute sich nicht, zu seiner Meinung zu stehen – zu sehr fürchtete er wohl dessen Kritik.

Auffallend ist, in welcher Form Keilmann immer seinen Lehrer Neufert in Weimar bewundert hat. Obwohl dieser 1929 selbst erst 29 Jahre alt und somit nur fünf Jahre älter war, stellte er für Keilmann durch seine überzeugende, charismatische Art ein großes Vorbild dar. Hier erfuhr Keilmann die Anerkennung, die ihm von Seiten seines Vaters immer versagt geblieben war. Daß gerade dieser Neufert, der in Weimar noch zu Unrecht als Kommunist bezeichnet worden war, kurz darauf im Umfeld Generalbauinspektor Albert Speer tätig wurde, mußte für Keilmann eine Bestätigung seines politischen Engagements bedeuten. Dabei ist zu berücksichtigen, daß ein Studium der Architektur mit den geringen Studentenzahlen und der Praxis, Meisterklassen zu bilden, im Gegensatz zur heutigen Zeit erheblich stärker auf die Lehrenden fixiert war. Die Aussage, man habe bei „XY“ studiert, hatte einen wesentlich höheren Stellenwert, da die Hochschulen und Universitäten wesentlich geringere Zahlen an Studenten aufnehmen mußten und somit der einzelne Professor sich intensiver um seine Studenten kümmern konnte.

Auch in der Studentenverbindung in Weimar bekam Keilmann die lang ersehnte Anerkennung und Zuwendung; er gewann einige Freunde, denen er im Lauf seiner Karriere wieder begegnen sollte. Auch seinen wichtigsten Lehrer an dieser Hochschule, Ernst Neufert, sollte er im beruflichen Werdegang wieder treffen. Aus diesen Kontakten schöpfte Keilmann das Selbstvertrauen, das nötig war, um sich aus der Umklammerung seines Vaters zu lösen. Als er nach Beendigung des Studiums zunächst nach Aschaffenburg zurückkehrte, war dieser Schritt noch nicht vollzogen. Im Einflußbereich seines Vaters, noch dazu in einer beruflichen Anstellung, die schlecht bezahlt war und auf die Vermittlung seines Vaters zurückzuführen war, konnte er keinen Aufstieg erwarten. Außerdem besaß Aschaffenburg als relativ kleine Stadt ein fest gefügtes Beziehungsgeflecht, in dem er auch in Zukunft „nur“ als der Sohn des Studienprofessors angesehen würde. Der Wechsel in das Reichsluftfahrtministerium muß also wie eine Befreiung gewesen sein, legte Keilmann doch in den ersten Monaten in der neuen Beschäftigung keinen Wert auf Kontakt zu seinem Vater. Dabei muß es für ihn eine Genugtuung bedeutet haben, daß eben dieser Vater, der noch wenige Jahre zuvor die Nationalsozialisten strikt abgelehnt hatte, Mitglied in der NSDAP wurde.

In den folgenden Jahren wechselte Keilmann immer wieder die Arbeitsstellen, obwohl diese häufigen Veränderungen auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar erscheinen. Allerdings zieht sich eine Entwicklung durch alle Tätigkeiten, die sich somit als Ursache für die jeweiligen Kündigungen aufdrängt: In annähernd allen Anstellungsverhältnissen, die Keilmann in seinem Leben inne hatte, nahmen die Möglichkeiten zur künstlerischen Ausgestaltung von hochwertigen Aufträgen im Laufe seiner Tätigkeit ab. Das Reichsluftfahrtministerium stellte auf Barackenbau um, bei der Brandenburgischen Heimstätte wurde nach und nach nur noch mit Hilfe eines „Baukastensystems“ gebaut und die Umgestaltungspläne für Berlin lagen ab Anfang 1943 auf Eis. Schließlich wurde selbst die Vorbereitung auf den Wohnungsbau nach dem Krieg eingestellt. Die einzige Ausnahme in dieser Reihe bildete das Volontariat bei der Stadt Aschaffenburg, wo Keilmann kurz vor seiner Kündigung mit dem Jägerdenkmal einen in seinen Augen wertvollen Auftrag ausführen konnte. Allerdings gab es rund um das Denkmal erhebliche Diskussionen bezüglich der Ausgestaltung und Keilmann hatte in Aschaffenburg die oben erwähnten Schwierigkeiten mit seinem Vater.

Es bleibt festzuhalten, daß Keilmann in seiner Karriere immer dann berufliche Schwierigkeiten hatte, wenn er keiner führenden Persönlichkeit unterstellt war, die ihn in seiner Arbeit voll unterstützt und auch zum Teil gegenüber Konkurrenzsituationen abgeschirmt hat. Ein solches Abschirmen erforderte eine außerordentlich starke Stellung des Vorgesetzten. Dies galt als erstes für die Beschäftigungen in der Zeit des Nationalsozialismus, bei denen die Anwendung des Führerprinzips in der Arbeitswelt genau diese notwendigen Bedingungen schuf. Gerade in den Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, als ihm der Zugang zu einer Anstellung im öffentlichen Dienst wegen seines laufenden Entnazifizierungsverfahrens verwehrt war, hatte er erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten und die Zahl der Bauvorhaben, die er verwirklichen konnte, hielt sich in engen Grenzen. Mit der Anstellung bei der Stadt Bochum traf Keilmann dann zunächst noch einmal auf Arbeitsbedingungen, die mit denen seiner Berliner Zeit vergleichbar waren und seinem Wesen außerordentlich entgegen kamen. Mit Clemens Massenberg fand er auch in Bochum genau den starken Vorgesetzten, den er für ein produktives Arbeiten benötigte. Dies ist wohl auch der Grund, warum er in dieser Zeit noch erfolgreich war. Mit dem Tod Massenbergs fiel diese Unterstützung weg und der berufliche Abstieg in den Folgejahren war unvermeidlich.

Anfang August 1947 erhielt Ferdinand Keilmann von einem guten Freund einen Brief. Dieser Freund war nicht nüchtern (er hatte „Pfirsich-Bowle“ getrunken) und schrieb ganz ungezwungen. In einer lockeren Form brachte er zum Ausdruck:

„Nebenbei bist Du noch irgendwie philisterlich berechnend (alldieweil Du Familie hast).“[1]

In dieser Aussage, auch wenn sie vom damaligen Verfasser in einem anderen Zusammenhang benutzt wurde, findet sich das Rechtfertigungsmuster für einen Großteil der deutschen Bevölkerung für die Geschehnisse in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft. Folgte man der These, die in dieser Aussage steckt, so wäre Keilmann ein Mensch gewesen, der sich, um seine Familie zu ernähren, unter Ausblendung (fast) jeglicher moralischer Bedenken auf einen „Pakt mit dem Teufel“ eingelassen hätte. Dies wäre in etwa vergleichbar mit dem Faust-Mephisto-Motiv, welches auch Albert Speer für sich reklamiert hat.[2] Es stellt jedoch eine unzulässige Vereinfachung dar, wenn man Keilmanns Entwicklung vom künstlerisch orientierten jungen Mann, der sich in seiner Studienzeit und in den erste Stationen seiner Berufstätigkeit zunächst aktiv im NSDStB und in der NSDAP beteiligt und anschließend sowohl dort als auch später als Mitglied der Bochumer SPD zum „inaktiven“ unpolitischen Parteimitglied wird, auf diese „einfache“ Formel reduzieren wollte.

In der Familie Keilmann trifft man, auf die Arbeit Keilmanns in der Zeit des Nationalsozialismus angesprochen, häufig auf die Aussage, „Keilmann sei ja in erster Linie Künstler gewesen“. Vergleichbar ist diese Darstellung, wie sie idealtypisch und erfolgreich wiederum von Speer mit seiner Verteidigung vor dem Nürnberger Kriegsverbrechertribunal angewandt wurde. Überhaupt scheinen die Lektionen, die der Architekt Speer als politisch an der Spitze stehender Akteur seinen Berufskollegen und dem gesamten Berufsstand des Ingenieurs erteilt hat, umfangreiche Wirkung gezeigt zu haben, gibt es doch unter den Teilnehmern dieser Berufsgruppe, die sich zu ihrem Verhältnis zur Tätigkeit in der Zeit des Nationalsozialismus äußerten, kaum jemanden, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg nicht auf ähnliche, wenn nicht die gleichen Verteidigungslinien zurück gezogen hätte. Fest spricht in diesem Zusammenhang von

„jenem Typ der Fachleute, die sich im Rückzug auf die angeblichen unpolitischen Positionen ihres Berufs eine vorwurfsfreie Existenz zu sichern suchten und nur taten, was sie ihre Aufgabe nannten, um gerade ihr Nichtstun unter dem Gesichtspunkte der „Pflichterfüllung“ zu glorifizieren. Indem sie sich, wie einflußreich sie auch gewesen sein möchten, vom Geschehen des Tages fernhielten, keine Uniformen anzogen, keine Willkürakte verübten, keine Gesetze erließen oder Menschen verhafteten, blieben sie gewiß frei von rechts-technisch greifbarer Schuld. Dennoch taten sie, an ihrer Stelle und angesichts ihrer Möglichkeiten nicht genug, um die Errichtung um Ausbreitung der Gewalt abzuwehren und so trifft sie der Vorwurf verweigerter Verantwortlichkeit für das Ganze.“[3]

Ausnahmen bilden an dieser Stelle lediglich die Architekten, die von den Nationalsozialisten mit Berufsverboten belegt wurden und dadurch gezwungen waren sich anderen Tätigkeiten zuzuwenden oder das Land zu verlassen. Selbst die Flucht in eine der wenigen Nischen, die die nationalsozialistische Kunstanschauung noch zuließ, wie zum Beispiel der Industriebau, bietet hier keine Entlastung. Zudem war diese Flucht gegen Ende des Krieges kaum noch möglich; die wenigen „Nester“[4] wurden ausgehoben und die entlarvten Personen an die Front geschickt.

In diesem Zusammenhang stellt sich die schwierige Frage, welche Alternativen es für Keilmann gegeben hätte und an welchen Punkten seiner Karriere er sich hätte anders entscheiden können. Daß es Alternativen gab, steht außer Zweifel. Viele Architekten haben wegen wirtschaftlichen oder politischen Gründen das Land verlassen und dies nicht erst nach der nationalsozialistischen Machtübernahme. Gerade die Vertreter des „Neuen Bauens“ fanden Arbeitsmöglichkeiten in den Niederlanden, in der Sowjetunion, in Asien oder den USA. Fast banale Voraussetzung war jedoch, daß der einzelne in der Lage war, sich innerhalb von kurzer Zeit in der jeweiligen Sprache zu verständigen. Darin lag für Keilmann ein großes Problem, da er durch seine Schwerhörigkeit schon in der deutschen Aussprache Schwierigkeiten hatte. Seine Bewerbung nach Zürich im Jahre 1957 war wahrscheinlich aus diesem Grund der einzige Versuch, in einem anderen Land als Deutschland jemals eine Arbeitsstelle zu finden.

Für die Zeit, in der er in Berlin beschäftigt war, bleibt festzuhalten, daß er jeweils immer nur künstlerische oder zum Teil auch finanzielle Erwägungen für einen Arbeitsplatzwechsel hat gelten lassen. Die Frage der Moral stellte er sich zumindest nicht in Gegenwart von anderen Menschen; so nahe diese ihm auch standen. Vermutlich hat er durch seine künstlerische Orientierung eine innere Fluchtmöglichkeit besessen, die für ihn verhinderte, unangenehme, unmoralische und in letzter Konsequenz auch unmenschliche As-pekte seiner Tätigkeit nicht an sich heran zu lassen. Keilmanns Credo lautete „Architektur ist gefrorene Musik“[5], seine Beruf war für ihn immer nur ein unzureichender Ersatz für die musikalische Karriere, die er nicht einschlagen konnte. Aus einem Brief von Sylt, wo er mit den Arbeitsbedingungen absolut unzufrieden war, ging hervor, daß er sich durch das Hören seiner Schallplatten nach der Arbeit in eine für ihn „bessere“ Welt versetzt hat. Jahre später, als er noch in Berlin gearbeitet hat, und es für ihn aber anscheinend schon absehbar war, daß der Krieg verloren sei, äußerte er seiner Frau gegenüber, daß die Familie, wenn die Russen Berlin besetzen würden, nichts zu befürchten habe. Er würde einfach für sie Klavier spielen und „die Russen mögen ja Musik.“[6] Kurz darauf hat er nach seiner Einberufung zur Wehrmacht eine ähnliche, für ihn positive Erfahrung mit deutschen Offizieren gemacht und auch später, bei seiner Anstellung in Bochum, hat dieses Talent ihm zusätzliche Anerkennung seines Vorgesetzten Massenberg eingebracht.

Eine weitere Strategie, die er häufiger anwandte, war die Hervorhebung seiner Erkrankung, um berufliche Veränderungen zu erreichen. So ließ er sich von Sylt nach Berlin versetzen, da die klimatischen Verhältnisse auf der Insel seine Schwerhörigkeit verstärken würde. Ähnlich verfuhr er, als er bei der „Deutschen Akademie für Wohnungswesen e.V.“ gekündigt und kein Interesse an einer Weiterbeschäftigung bis zum Ende der Kündigungsfrist hatte. Jedoch war der Einsatz dieses Mittels nicht dazu gedacht, sich von Arbeiten zu befreien, die für ihn nach moralischen Gesichtspunkten abzulehnen waren; es ging immer um persönliche, familiäre oder finanzielle Gesichtspunkte. Insofern ist Keilmann ein typischer Architekt seiner Zeit, zumindest in bezug auf die Arbeitskollegen, die, ob mit oder ohne nagendes Gewissen, in den nationalsozialistischen Planungsstäben tätig waren und nach dem Krieg die vorhergehenden Jahre möglichst nicht mehr zur Sprache kommen ließen. Durch die große berufliche Herausforderung der Nachkriegsjahre fiel später die Diskussion mit den aus dem Ausland Zurückkehrenden weniger dramatisch aus, da die wirtschaftliche Basis ein Nebeneinander ermöglichte und die Architekten trotz aller Verfolgung und Vertreibung in den 30er Jahren ein hohes Maß an Korpsgeist[7] besaßen.

Abschließend muß man festhalten, daß Keilmann in bezug auf seine familiäre Prägung durch das Elternhaus und die von ihm benötigten Arbeitsbedingungen ein Relikt aus der Zeit darstellte, in der er geboren wurde. Die Jahre der Weimarer Republik waren für ihn beruflich enttäuschend verlaufen, nach der Gründung der Bundesrepublik konnte er gerade einmal vier Jahre erfolgreich arbeiten. Seine Ehe mit den vier Kindern bildete ihm zwar einen Rückhalt, entscheidend war für ihn jedoch immer das Arbeitsklima in den Büros, in denen er beschäftigt war. Er fand gerade in der Zeit des Nationalsozialismus ein Umfeld, das ihm genau die Arbeitsbedingung zur Verfügung stellte, die er für seine berufliche und künstlerische Entfaltung benötigte. Die Sicht auf seinen beruflichen Erfolg vermittelt ein zerrissenes Bild. Auf der einen Seite war er innerhalb seiner der unpolitische Künstler, der oft nur daran interessiert war, mit seinen Zeichnungen den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu bestreiten Jedoch zeigt sich deutlich, daß er die politischen Entwicklungen und Mechanismen verstanden und diese im Rahmen seiner Möglichkeiten zu seinem Vorteil instrumentalisiert hat. Daß dies vielfach aus einem unterentwickelten Selbstbewußtsein heraus entstand, ändert nichts an der Tatsache, daß er sich auf diesem Weg frühzeitig zu einem Komplizen der Nationalsozialisten gemacht hat.

Das gleiche, vielleicht auch instinktive Handeln ließ ihn wiederum ab 1941 in eine – wenn auch innere – Opposition zum herrschenden Regime treten; jedoch verzichtete er auch weiterhin nicht darauf, sich durch dieses System wirtschaftlich absichern zu lassen. In seinen beiden Entnazifizierungsverfahren zwischen 1945 und 1948 wurde Keilmann in die Klasse der Mitläufer eingestuft und für die Zeit nach 1936 ist dieses Urteil auch nachvollziehbar. Hätte ein vergleichbares Verfahren nach seiner Pensionierung in der BRD der 70er Jahre stattgefunden, so wäre wiederum das gleiche Urteil zu fällen gewesen. Auch in Bochum ist er unmittelbar in die regierende Partei eingetreten. Den Fehler, der das parteipolitische Engagement in den 30er Jahren für die NSDAP in seinen Augen darstellte (er konnte keinen wirtschaftlichen Vorteil aus diesem Engagement ziehen) hat er nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wiederholt.

Keilmanns Biographie bietet somit ein Beispiel für die Mechanismen, wie die Nationalsozialisten zu Beginn ihres politischen Aufstiegs auch Personen, die ihren Ideen nur zum Teil nahe standen, für die Mitarbeit gewinnen konnten; und gleichzeitig ist Keilmann ein Anschauungsbeispiel, warum sich genau diese Menschen nach Beendigung der Diktatur mehr oder weniger in das Unpolitische, Private zurückgezogen haben. Zu viele von ihnen haben es versäumt, bei ihrem politischen Engagement die Ziele der Partei(en) genau zu studieren, für die sie sich engagierten. Dadurch sind sie zu Befürwortern von Politikansätzen geworden, die sich mit dem eigenen Gewissen nicht vereinbaren ließen.



[1] AKe; Brief von Werner Neck an Ferdinand Keilmann
[2] Speer, Albert: Spandauer Tagebücher, Frankfurt a.M. 1975, S. 609, in: Fest 1999, S. 53.
[3] Fest, Joachim C.: Albert Speer und die technizistische Unmoral, in: Reif 1978, S. 253.
[4] Siehe: Lodders, Rudolf: Zuflucht im Industriebau, in: Baukunst und Werkform, Heft 1, 1951, S. 37ff.
[5] Aus einem Gespräch mit Eva Keilmann.
[6] Ebd.
[7] Von Beyme 1987, S. 53.

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George Santayana (1863 - 1952)